DEUTSCH:
Die Reaktionen von Religionsführern infolge des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine fielen sehr unterschiedlich aus. Während der schiitische Ayatollah die USA für den Krieg verantwortlich machte, bezeichnete der römisch-katholische Papst die Vereinten Nationen als „impotent“; und der Dalai Lama erklärte, Krieg wäre überholt. Aber hat es seit dem Ukraine-Krieg eine Veränderung der religiösen Narrative gegeben? Handelt es sich bei dem Ukraine-Krieg um formatives Ereignis (eine „Zeitenwende“) oder bleibt alles beim Alten? Die Englische Schule bildet das theoretische Rahmenwerk des Artikels, der mithilfe einer narrativen Analyse untersucht, ob und wie die Primärinstitutionen Krieg und Völkerrecht (neu) interpretiert werden. Die Narrative dieser drei Religionsführer zum Ukraine-Krieg werden mit vergangenen Kriegsnarrativen verglichen. Auf dieser Analyse aufbauend, erforscht der Artikel, inwiefern diese Narrative ein Erstarken oder gar ein Ausweiten oder ein Untergraben und somit eine Schwächung der internationalen Gesellschaft widerspiegelt. Dabei wird ein Schwerpunkt auf die Primärinstitutionen Krieg und Völkerrecht sowie auf die Sekundärinstitution Vereinte Nationen gelegt. Der Artikel argumentiert, dass der Ukraine-Krieg zumindest für religiöse Akteure in der internationalen Politik kein formatives Ereignis für die globale Sicherheitspolitik bedeutet. Im Gegenteil wird argumentiert, dass diese Akteure solch einen Zeitpunkt, um das Völkerrecht zu stärken oder überhaupt aufrechtzuerhalten, womöglich versäumt haben.