Hüseyin Çiçek
Islam und Kalter Krieg. Die gemeinsame Politisierung des Islam in kemalistisch-säkularen und islamisch-konservativen Wochenblättern von 1952 bis 1960
Eine Analyse der wechselseitigen Verstrickung von säkularen und religiösen politischen Diskursen der 1950er Jahre in der Türkei vor dem Hintergrund der formativen Phase des Kalten Krieges ist ein Desiderat in der deutschen Türkeiforschung, insbesondere mit Blick auf die innertürkischen Diskussionen in Wochenblättern wie AKIS, Yeni Ufuklar, Forum und Sebilürreşad. Von Beginn an setzte die Truman-Doktrin in der Auseinandersetzung mit der atheistischen UdSSR auf eine Instrumentalisierung von „Religion“ und regte so eine neue politische Konstellation in der Türkei an. Als Bündnispartner des kapitalistischen Westens geriet dort die kemalistische Einhegung des Islam unter Druck, was im Ergebnis die Entstehung eines symbiotischen Zusammenwachsens von türkischem Islam und Kemalismus ermöglichte.
Das Forschungsvorhaben untersucht einschlägige kemalistisch-säkulare (AKIS, Yeni Ufuklar, Forum) und islamisch-konservative (Sebilürreşad) Wochenblätter (wie in der Grafik dargestellt), um auf diesem Wege den Wandel sowohl in den (persönlichen) Beziehungen als auch in den Argumentationen ihrer Autoren im Kontext der globalen Systemkonkurrenz der 1950er Jahre aufzuzeigen und somit zu einer produktiven neuen Schwerpunktsetzung in der Türkeiforschung beizutragen.
Im Zentrum der Analyse stehen die Allianzen religiös konservativer und säkularer Wochenblätter, die in den 1950er Jahren während des Kalten Krieges gemeinsame Codierungen politischer Zusammengehörigkeit konstruierten und somit das türkische Verständnis von Kollektiv- und Identitätsbewusstsein vor dem Hintergrund des Spannungsfelds der globalen Systemkonkurrenz neu aushandeln mussten. Erst ein solcher Forschungsfokus ermöglicht es, so eine grundlegende These des Projekts, der Dichotomie Kemalismus vs. Islamisten zu entgehen und stattdessen die Geschichte der Koalitionsbildungen und politischen Verstrickungen zu verstehen.
Biografie
Priv.-Doz. Mag. Dr. Hüseyin Çiçek ist Politik- und Religionswissenschaftler. Dr. Çiçek war am Cluster Anthropologie und Gewalt der Universität Innsbruck, am Institut für Politik und Zeitgeschichte des Nahen Ostens, am Erlanger Zentrum für Islam und Recht in Europa, am Institut für Islamische-Theologie der Universität Wien tätig und ist derzeit am Institut für Religionswissenschaft der Universität Wien angestellt.
Publikationen
Priv.-Doz. Mag. Dr. Hüseyin Çiçek hat zahlreiche Publikationen in den Bereichen Politikwissenschaft und Religionswissenschaft verfasst, insbesondere zu Themen wie Terrorismus, Türkei, sowie zur muslimischen und alevitischen Diaspora in Europa. Kürzlich erschienen ist sein Werk "Religion – Gewalt – Minderheiten: Studien zu religiöser Identität im Kontext der geopolitischen Herausforderungen der Moderne".