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Psychologie Februar - März 2024

Stephan Lewandowsky

Desinformation als politisches Instrument - Authentizität vs. Faktizität im Kontext von Nordirland

Mein Projekt konzentriert sich auf die Rolle von Fehlinformationen und Desinformationen sowie auf unterschiedliche Auffassungen von Wahrheit in einem internationalen Kontext. Meine jüngsten Forschungen konzentrieren sich auf die sich verändernden Vorstellungen von "Ehrlichkeit", insbesondere auf die populistische Umbenennung von Authentizität in Ehrlichkeit, wobei "seine Meinung sagen" zu einem Indikator für "Ehrlichkeit" geworden ist, selbst wenn Äußerungen faktisch falsch sind. Infolgedessen kann ein serienmäßiger Fehlinformant wie Donald Trump, der nach Angaben von Faktenprüfern während seiner Präsidentschaft mehr als 30.000 falsche oder irreführende Aussagen gemacht hat, von seinen Anhängern als ehrlich angesehen werden (laut Umfragedaten hielten 75 % der Republikaner ihn für ehrlich). Die Akzeptanz von Authentizität als Ersatz für Wahrhaftigkeit ist unvereinbar mit dem demokratischen politischen Diskurs, in dem Argumente durch Appelle an Beweise und nicht an Gefühle gestützt werden. Ich behaupte, dass sich ein Großteil der jüngsten Unruhen in den westlichen Demokratien, insbesondere in den USA und Großbritannien, erklären lässt, wenn man den Konflikt zwischen einem populistischen Verständnis von Wahrheit als "seine Meinung sagen" und einem demokratischen Verständnis, das sich auf Beweise und nicht auf momentane Gefühle stützt, betrachtet. Während meines Stipendiums werde ich diese Analyse auf einen internationalen Kontext ausweiten und das Nordirland-Protokoll sowie die Beziehungen zwischen Großbritannien und der EU als Fallstudie verwenden. Ich werde den politischen Diskurs im Vereinigten Königreich und in der EU untersuchen, um festzustellen, ob sprachliche Marker für die beiden Konzepte der Ehrlichkeit identifizierbar sind und ob sie sich zwischen dem Vereinigten Königreich und der EU unterscheiden. Ich gehe davon aus, dass der britische Diskurs über das Nordirland-Protokoll deutlich populistischer sein wird als sein Pendant in der EU.

Biografie

Professor Stephan Lewandowsky ist Kognitionswissenschaftler an der Universität Bristol und Träger zahlreicher Auszeichnungen und Ehrungen, darunter ein Discovery Outstanding Researcher Award des Australian Research Council und ein Humboldt-Forschungspreis der Humboldt-Stiftung in Deutschland. Er ist ein Fellow der Academy of Social Science (UK) und ein Fellow der Association of Psychological Science. Im Jahr 2022 wurde er in die Leopoldina (Nationale Akademie der Wissenschaften Deutschlands) gewählt. Im Jahr 2022 wurde er von Clarivate als hoch zitierter Forscher eingestuft, eine Auszeichnung, die weniger als 0,1 % der Forscher weltweit erhalten. Seine Forschung konzentriert sich derzeit auf die Persistenz von Fehlinformationen und die Verbreitung von "Fake News" in der Gesellschaft. Er hat mehr als 240 wissenschaftliche Artikel, Kapitel und Bücher veröffentlicht. Er wird derzeit unter anderem vom Europäischen Forschungsrat, dem EU-Programm Horizon 2020 und der Volkswagenstiftung gefördert. Professor Lewandowsky tritt häufig in Print- und Rundfunkmedien auf und hat rund 100 Meinungsbeiträge für die globalen Medien verfasst.


Publikationen

Ausgewählte Publikationen

Jana Lasser, Segun Taofeek Aroyehun, Almog Simchon, Fabio Carrella, David Garcia & Stephan Lewandowsky Social media sharing of low-quality news sources by political elites

PNAS Nexus (2022)

Stephan Lewandowsky & Peter Pomerantsev Technology and democracy: a paradox wrapped in a contradiction inside an irony

Memory, Mind and Media (2022)

Stephan Lewandowsky , Michael Jetter & Ullrich K. H. Ecker Using the president’s tweets to understand political diversion in the age of social media

Nature Communications (2020)